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Der London Marathon wird mir in vielerlei Hinsicht in sehr guter Erinnerung bleiben.

Einerseits war die Stimmung fantastisch! So viele Zuschauer, so laute Zuschauer hatte ich noch nie erlebt. Sie waren überall zugegen und dies vom ersten bis zum letzten Meter. Unglaublich! Unschlagbar!

Anderseits lief ich an meinem 35. Marathon erstmals ein Negativ-Splitt sprich die zweite Hälfte schneller als die erste. Dieses Kunststück glückt nicht jedem Läufer. Ich brauchte 18 Jahre oder, wie bereits oben erwähnt, 35 Marathons dafür.

Zu guter Letzt gelang mir bei dem heissesten London Marathon aller Zeiten mit 2:45:33 eine gute Zeit, was mir den 282. Rang unter 40'000 Teilnehmer einbrachte. cool

 

Dafür war es noch einen Tag vor dem Start nicht sicher, ob ich überhaupt starten kann.

14 Tage zuvor musste ich beim letzten Wettkampf vor dem Marathon verletzungsbedingt beinahe aufgeben und konnte das Rennen nicht wie gewünscht absolvieren. Adduktoren-Probleme begleiteten mich danach. Schnelle Einheiten waren absolut tabu.

Wäre es nicht schon genug, zwickte mich 6 Tage vor dem Start zusätzlich noch der rechte, hintere Oberschenkel. Ich musste gar das Training abbrechen.

In der Folge verzichtete ich auf jegliches Training, um nicht ein DNF (Did Not Finish) oder DNS (Did Not Start) zu riskieren.

Die Tapering-Phase stellte ich mir natürlich ganz anders vor. Mental waren die Tage nicht einfach. Gewisse Zweifel kamen immer wieder auf. Ich versuchte… ich blieb dennoch optimistisch.

 

Da man den London Marathon nicht selbst buchen kann, schlossen wir uns dem Reiseveranstalter von Markus Ryffel an.

Am Freitagmorgen flogen wir nach London. «Wir» bedeutet meine Frau Petra, mein Sohn Nicola und ich. Mit dabei waren auch zirka 20 weitere Personen, welche über Markus Ryffel’s Marathonreisen gebucht hatten. Petra lief ebenfalls den Marathon. Sie beendete diesen in sehr guten 3:22:53! kiss

Nach dem kurzweiligen Flug ging es mit der Gruppe per Bus zum Expo-Gelände, wo wir die Startunterlagen abholten und noch ein wenig Zeit hatten, um in der Expo herumzuschlendern. Danach ging es weiter per Bus zum Hotel. Wir fuhren einige Streckenabschnitte des Marathons ab, um einen kleinen Eindruck vom Bevorstehenden zu erhalten. Der Reiseveranstalter wählte ein Hotel in Ziel nähe. Das ist praktisch, denn nach 42,195 Kilometer mag unsereins nicht mehr so weit zu laufen. wink

Am Freitagabend gab es mit der Gruppe noch ein sehr kurzes und sehr lockeres Läufchen. Dabei wurde das Zielgelände inspiziert. Den Rest des Abends waren wir frei. Wir gingen asiatisch essen.

 

Am Samstagmorgen gab es ein weiteres kurzes und lockeres Läufchen. Diese 2 «Trainingseinheiten» konnte ich ohne Probleme sprich Schmerzen absolvieren, doch sie waren weit von meinem Marathontempo entfernt.

Der Rest des Tages war ich mit der Familie in London unterwegs. Wir liefen mehr als erwünscht und gewollt. Nicola wollte unbedingt noch einen bestimmten Kleiderladen namens Surpreme aufsuchen. Zum Entsetzen meines Sohnes muss ich gestehen, dass ich noch nie von «Surpreme» gehört hatte. wink Wir irrten eine Weile in der Stadt herum bis wir diesen endlich gefunden hatten. frown

Das Abendessen nahmen wir dann mit der Laufgruppe bei einem Italiener ein. Nebst Spaghetti Napoli gönnte ich mir ein Glas Rotwein.

 

Sonntags war um 05:15 Uhr Tagwache. Nach einem 15-minütigen lockeren Läufchen ging es zum Frühstück. Wie immer, brachte ich meine «Henkersmahlzeit» selbst aus der Schweiz mit. Reis «blutt».

Um 07:00 Uhr holte uns der Bus ab, welcher uns zum Startgelände fuhr. Wir waren bereits 2,5 Stunden vor dem Start vor Ort. Langes Warten war angesagt, aber es war eine gute Entscheidung, so früh zu fahren. Das Gelände fühlte sich immer mehr und mehr und die Schattenplätze in den Zelten wurden sehr rar. Wir hatten uns längst in einem solchen breit gemacht und «chillten» noch ein wenig. Die Temperaturen waren bereits vor dem Start auf 20° oder mehr geklettert.

Um 10:00 Uhr ertönte der lang ersehnte Startschuss. Ausgelöst wurde dieser von der QE2 (Queen Elisabeth II), welche tags davor 92 Jahre alt wurde. Happy Birthday! Die Freude auf den Lauf war gross, aber meine Anspannung respektive meine Unsicherheit betreffend Gesundheit war immer im Hinterkopf. Nach den ersten Metern fühlte ich mich grossartig. Ich hörte in meinen Körper hinein… es war still und das war gut so. Nach 3 Kilometer wollte ich ein wenig das Tempo forcieren. Ich musste sofort wieder reduzieren, weil mein lädierter «Hamstring» sich meldete. Ich dachte schon, dass es das war. Aus! Ende! Vorbei! Der Schmerz verging nicht, aber ich konnte weiterlaufen. Die grossartige Stimmung am Streckenrand liess mich allmählich alles vergessen. Ich lief im Tunnel. Ständig horchte ich in meinem Körper, überprüfte die Kilometerzeiten, verpflegte mich nach Plan und freute mich auf die Tower-Bridge, denn dort sollte ich Nicola treffen. Als ich mich der Brücke näherte, entdeckte ich ihn unter den Zuschauern. Ich konnte natürlich nicht anhalten und mit ihm reden, aber bereits der Augenkontakt gab mir viel Kraft und Zuversicht. Mittlerweile waren 20 Kilometer geschafft und ich war noch immer im Rennen. Die Rennhälfte passierte ich kurze Zeit später in 1:23:03. Die Hitze war enorm und Bestzeiten waren unmöglich. Doch für meine Muskulatur waren die warmen Temperaturen ein Segen. In der Folge konnte ich mein Tempo halten und gar leicht steigern. Ich lief zeitweise wie im Rausch und musste mich immer wieder selbst bremsen. Schliesslich lagen noch einige Kilometer vor mir und die 35 Kilometer Grenze war noch nicht erreicht. Als ich diese passierte, wusste ich, dass ich das Ziel auf jeden Fall erreichen werde, sei es im Gehen. Ein weiteres Merkmal von London, das London Eye, war in Sichtweite. Die Erleichterung war gross. Die letzten 3 Kilometer wurden dann auch für mich hart. Die Müdigkeit war unterdessen auch bei mir angekommen. Den Zieleinlauf genoss ich soweit es noch ging. Ich war stolz und überglücklich über das Ergebnis. 1:22:30 brauchte ich für die 2. Hälfte. Einfach nur geil! cool

 

Resultat (Zahlen)

Resultat (Grafik)

Fotos